Atlantiktörn Dezember 2008
Atlantik Ralley for Cruisers. From Gran Canaria
to St Lucia.
Ein Erlebnisbericht über die Überquerung des
Atlantiks mit der Segeljacht Bora Bora.
Am Mittwoch, 19. November geht es
mit der ehemaligen Belair von Zürich nach Las Palmas de Gran
Canaria. Mit dem Taxi geht es weiter in den Hafen von Porto de
Portivo de Gran Canaria. An Pier 10 liegt unser Schiff, die Bora
Bora, wo wir von Ruth und Koni begrüsst werden. Wir beziehen unsere
Kojen, im Vorschiff backbords (links) und puffen ein. Am Donnerstag
stösst unser Jüngster, Pascal, dazu. Unser Ziel ist es, die Bora
Bora mit der ARC über den Atlantik zu fahren. Der Start ist am
Sonntag, den 23. November. Obwohl Ruth und Koni schon das Meiste
erledigt haben, stehen noch etwelche Arbeiten an. Es müssen noch
diverse Reparaturen und frische Lebensmittel eingekauft werden. Am
Samstag und Sonntag – vor der Abfahrt – geht das hektische Treiben
dann richtig los. Es werden Demos wie bspw. das Besteigen der
Rettungsinsel, das Retten per Helikopter, und das Abwerfen von
Rettungsmaterial aus den SAR Fliegern, vorgeführt. Am Abend dann
jeweils Apero und Partys, organisiert durch die ARC. Auch die 230
Schiffe, die an der Ralley teilnehmen, sollten besichtigt und
fotografiert werden. So vergehen die Tage wie im Fluge und der
Auslauftag rückt näher
Sonntag, 23. November – 1. Tag
Nachdem Ruth das Ausklarieren am Samstag schon erledigt hat und
das Morgenessen inkl. abwaschen, aufräumen und verstauen erledigt
ist, steigt die Spannung. Auf den Stegen und Schiffen herrscht
hektisches Treiben. Letzte Verabschiedungen, Fotos und
Vorbereitungen werden noch vollzogen. Dann geht es los. Die ersten
Schiffe laufen aus. Musik und Gehupe ertönt. Auch bei uns heisst es
Leinen los, wir laufen aus. Goodbye Bora Bora from Switzerland!
Skipper Koni with Crew, have a good Trip, see you in St Lucia. Es
dauert stundenlang bis alle Schiffe draussen vor dem Hafenbecken
herumtümpeln. Auf den Molen und Wellenbrechern rund um den Hafen
verabschieden uns all die viele Leute – es kommt uns vor, als würden
wir nicht mehr ankommen. Leute weit und breit, die winken und
schreien: Tschau, Bye Bye, Goodbye in St Lucia und dazwischen
Schwizerdütsch: Tschau und machets guet… Es läuft mir kalt über den
Rücken und Christine kullern die Tränen über die Backen. Draussen in
der Bucht, alles voll von Schiffen. Hunderte von ARC Teilnehmern,
Begleitboote, Polizei, SAR, Fotoboote. Sogar die spanische
Küstenwache zeigt sich mit den Helikoptern und den Langstrecklern.
Sie wollen zeigen, dass nichts passieren kann, wir sind da. Um 12.40
Uhr dann der Start der Racer. Zwanzig Minuten später sind wir an der
Reihe, die Cruiser. Mit Schüssen aus dem spanischen Kanonenboot
werden wir auf die Strecke geschickt. Segel soweit das Auge reicht.
Bald aber verteilen sich die Schiffe. Die einen nach Süd, die
anderen Südost, oder wie wir, der Insel entlang. Auf der Höhe der
Südspitze Gran Canarias bricht die erste Nacht herein. Es heisst
Vorkehrungen treffen für die Nacht. Wir fahren mit Gros,
ausgebaumter Genua und Besan, Kurs 235-250 Grad. Der Wind kommt
achterlich aus NO mit 3-5 Bf. Zum ersten Mal Nachtessen unter
erschwerten Bedingungen. Wir haben für etwa eine Woche frische Waren
an Bord. Es gibt gemischten Salat und Spaghetti an Tomatensauce.
Nach dem Abwasch und Aufräumen, heisst es Kleider richten für die
Wache. Es ist kalt, es braucht Flies und Windjacken. Wir haben uns
für Einerwachen à zwei Stunden entschieden. Am Abend jeweils werden
wir die Segelstellung einrichten, damit es nachts keine Segelmanöver
gibt. Dadurch kommen wir mit einer Wache aus. Es besteht dann nur
Überwachungsmodus: Radar, Wind und Segel beobachten und alle
Viertelstunde Ausschau halten draussen. Das Cockpit darf nicht
verlassen werden. Wenn etwas Aussergewöhnliches ansteht, ist die
Crew zu wecken. Auf dem Schiff darf nachts nur mit Schwimmweste,
angegurtet und zu zweit gearbeitet werden. Meine Wache fällt auf
Midnight 00.00 – 02.00 Uhr. Auf dem Radar gibt es immer noch viel zu
sehen, aber es fahren alle Punkte in die gleiche Richtung. Auf dem
Meer hat es immer noch Lichter zu sehen. Auf der Steuerbordseite
sind sie rot und weiss, backbord grün weiss. Um 02.00 Uhr gibt es im
Logbuch den Eintrag über Zeit, Koordinaten, Wind und Wellen – wie
viel und woher – Segelstellung, unsere Richtung und besondere
Vorkommnisse. Jetzt noch Pascal wecken, ihn instruieren und dann ab
ins gagelige Bett.
Montag, 24. November – 2. Tag
Um 07.30 Uhr rasselt der Motor an. Wir haben wenig Wind und unsere
Schraube bremst das 35 Tonnen schwere Schiff. Wir wollen mit 900
Touren am Motor den Propeller mitlaufen lassen, sodass wir
wenigstens segeln können. Gleichzeitig produzieren wir Energie für
unseren Haushalt wie Kühlschrank, Autopilot, Licht und nautische
Apparate. Im Laufe des Morgens legt der Wind wieder etwas zu und wir
machen uns zum ersten Mal an den 150 m2 grossen Spinnacker. Koni und
Pascal bewältigen das Händeln des Spinnackers auf dem Vorschiff und
ich bediene die Winschen auf dem Achterdeck. Nach dem gelungenen
Manöver sausen wir bei 12-15 Kn Wind und 6.5 Kn Fahrt Richtung 230
Grad. Ich gebe meine Wache an Pascal ab. Mit lesen, stricken,
fischen, schlafen, essen und trinken verbringen wir den Tag. Am
Abend vor dem Angelbergen kommt mir der Zug verdächtig streng vor.
In dunkler Nacht hieven wir einen 70 cm Kingfish aufs Deck. Leider
ist unser Nachtessen, Fleischbällchen mit Kartoffeln und zum Dessert
Kaffee und Appenzeller Biberfladen schon fertig. So landen die zwei
Filets im Kühler. Mit Sprüchen und Spässen verbringen wir einen
gemütlichen Abend.
Dienstag, 25. November – 3. Tag
Auf meiner Morgenwache von 06.00 – 08.00 Uhr kommen Delphine zu
Besuch. Das muss ich natürlich melden. Wir zählen zusammen ca. 30
Stück. Schön, während dem Sonnenaufgang diesen eleganten Tieren
zuzuschauen. Über eine Stunde begleiten sie uns. Auf dem Radar sehe
ich drei Schiffe in grossen Abständen. Rings um uns herum dicke
Regenwolken – es wird schon noch zum Regnen kommen. Sonst habe ich
von meiner Wache keine besonderen Vorkommnisse zu melden. Nach dem
Morgenessen Lagebesprechung. Wetter gut, wenig Wind: wir werden
heute wieder ein kleines Etmal segeln. Wir setzen den Spinnacker und
fahren auf unserer Route weiter. Koni möchte etwas westlicher
fahren. Wir einigen uns auf 230 Grad. Am Abend dann Nachtessen:
Vorspeise Salat, dann Fischfilet vom Kingfish mit Rüebli und Reis.
Dazu natürlich einen guten Tropfen aus des Wüsten Weinkeller. Später
dann noch Kaffe und Guetsli.
Mittwoch, 26. November – 4. Tag
Meine heutige erste Wache fällt auf 02.00 – 04.00 Uhr,
sternenklar. Sitze auf dem Deck, bestaune das Himmelszelt und suche
was ich kenne an Sternbilder. Unglaublich klar, weil kein Licht das
Bild stört. Beim Eintrag auf der Seekarte sehe ich den „Endavour
Seemount“, einen Berg unter Wasser. Er steht an der Tiefenlinie von
4000 m an der Afrikanischen Küste und kommt hoch auf 154 m unter
Wasser. Das Matterhorn, unser höchster Berg, kommt von der
Hörnlihütte ausgerechnet auf ca. 1200 m, von Zermatt aus auf 2900 m.
Auf der Karte suche ich noch mehr solcher Seemounts. So z.B. The
Paps, Great Meteor Tablemount, Atlantis, Josephine, Ampere, Cruiser.
Nach dem Logbucheintrag geht meine Wache zu Ende und ich darf noch
etwas Schlafen. Um 07.00 Uhr heisst es schon wieder aufstehen.
Christine hat heute Geburtstag und muss keine Nachtwache schieben.
Nach dem Morgenessen setzen wir wieder den Spi. Mit 12 Kn haben wir
wenig Wind und der muss ausgenutzt werden. Wir fahren mit bis zu 6
Kn. Vom DWD (Deutscher Wetterdienst) bekommen wir die Prognose für
die nächsten Tage. Auf 30 N und 50 W installiert sich ein Hoch mit
1021 hPa und das wird uns Ostwind bringen. Gegen Abend hat sich noch
ein Fisch verirrt. Es ist ein Dorado, auch bekannt unter
Goldmakrele, Mahi-mahi oder Dolphinfish. In der Karte ist er unter
„best eating“ eingetragen. Er kommt natürlich sofort auf die
Schlachtbank und die Filets in den Kühler. Vor dem Nachtessen wollen
wir uns noch für die Nacht einrichten. Wir bergen den Spi und setzen
die Genua. D.h. wir fahren mit ausgebaumter Genua, Gros und Besan.
Sicherheitsgründe sprechen für diese Arbeit. Wir wollen nicht
riskieren, dass der Spi nachts beschädigt wird. Bei diesen
Windverhältnissen sind wir darauf angewiesen. Zum Znacht gibt es
heute Salat, Schweinsfilet, Kartoffeln und zum Dessert Ananas. Heute
ma-che ich die Küche fertig, weil ich anschliessend Wache habe. Es
lohnt sich nicht mehr ins Bett zu gehen. Ohne speziellen
Vorkommnisse übergebe ich die Wache um 00.00 Uhr an Pascal.
Donnerstag, 27. November – 5. Tag
Um 08.00 Uhr heisst es schon wieder raus, ich habe Wache. Die
Nacht war nicht gemütlich, aber es ging allen so: Die Wellenrichtung
hat etwas gedreht und wir wollten trotzdem Kurs halten. So sind wir
in einen Kurs geraten, der das Schiff rollen (schaukeln) liess. Noch
vor dem Morgenessen setzen wir wieder den Spi. Wir kommen gut voran.
Auch haben wir wieder Anglerglück. Es hat sich wieder ein Dorado an
den Pulpo gewagt und prompt mit dem Leben bezahlt. Wie vom DVD
vorhergesagt, frischt der Wind heute auf und es gibt deutlich mehr
Wellen. Beim Segelwechsel stellen wir einen Riss im Spi fest. Durch
die fleissigen Hände der Crew wird dieser aber gleich geflickt und
im Segelsack verstaut. Ruth stellt im Internet fest, dass wir im
Klassement auf dem ersten Platz sind. Wir freuen uns jetzt schon auf
den „Chlöpfmoscht“. Zum Nachtessen zaubert Christine unseren „Fresh
Fish“ auf den Tisch. Das Beste was das Meer zu bieten hat:
Goldmakrele, mit Rüebli, Kartoffeln und Salat. Bald heisst es wieder
ab in die Federn, um 04.00 Uhr ruft meine nächste Wache.
Freitag, 28. November – 6. Tag
Die letzte Nacht war streng. Wir hatten grossen Schwell. Das
führte dazu, dass ich nach zweimaligem „aus dem Bett fliegen“ die
Kojensegel montierte. Nach dem Morgenessen bei schönstem Wetter
geht's an die Arbeit. Nach Konis Telefon mit dem DWD warten wir
gespannt auf seine Aussagen. Der Schwell soll abgeben und der Wind
soll bleiben. Unser Entscheid: So weiterfahren 230 Grad bis zu den
Kap Verden. Trotz dem ungemütlichen Rollen des Schiffes von 20 Grad,
haben alle einen Job. Ruth macht Suppe, Christine macht Brot, Pascal
macht rein Schiff, Koni ist am Bilge (unterster Teil des Schiffes)
säubern und ich bin – mit den Gipsy Kings in den Ohren am Tagebuch
schreiben. Im Radar sehen wir zwei Objekte kommen. Wir erkennen sie
später als Segelschiffe, ob sie das gleiche Ziel haben wie wir?
Gegen Abend wechseln wir dann wieder auf die Leichtwind-Genua. Dazu
muss auch die Windsteuerung wieder neu getrimmt werden. Zum
Nachtessen gibt es Pasta mit Tomatensauce und wie immer, ein oder
mehrere Gläser Rotwein. Der immer noch stark anhaltende Schwell
bringt das Schiff immer noch zum zünftigen Rollen. Eine Welle ist
aber so gross, dass alle Gläser Richtung Christine wollen. Es geht
aber alles so schnell, dass kein Halten mehr möglich war. Christine
wurde zur Weinkönigin auf See erkoren.
Samstag, 29. November – 7. Tag
Mir fällt wieder einmal die Midnight Wache zu. Eine wunderbare
Nacht mit klaren Sternen und einer Milchstrasse wie im Bilderbuch.
Auch die Temperatur hat merklich zugenommen, Flies und Pullover sind
im Koffer verstaut. Das Schiff gleitet durch das Wasser wie eine
Königin. Bei 4-5 Bf machen wir 5-6 Kn Fahrt durch die bis zu zwei
Meter hohe Dünung. Auch der Tag fällt locker aus. Es gibt nichts zu
tun und auch der Wind ist nicht bei uns. Lesen, schlafen, Musik
hören, stricken sind die Hauptaufgaben. Es wird langweilig. Konis
Ruhe ist gestört und er findet „mir setzed dä Spi, villicht goht
dänn äntli öppis“. Leider bringt der Spi auch nach einer halben
Stunde keinen Wind und so nehmen wir ihn wieder runter und stellen
fest: Nix gebracht. Wir singen für Koni den Spi-Kanon nach der
Melodie „s’chrücht äs Schnäggli“… „Spi-i ufä, Spi-i ufä, Spi-i ab,
Spi-i ab, immer wieder neu, immer wieder neu, bis as Ziel, bis as
Ziel“. Nach den neuesten Angaben des DWD fahren wir immer noch
zuviel westlich. Wir sollten südlicher 16/30 fahren, d.h. 16 Grad
Nord und 30 Grad West. Es soll westlich von uns wenig Wind geben und
weiter Süd mehr Wind haben. Wir einigen uns auf einen neuen
Kompasskurs: 210 Grad. Den Wind, den wir zu-wenig haben, hatte der
Kroate zuviel. In einer ARC Mitteilung vernehmen wir, dass er
umkehren musste, da er den Mast verloren hat! Zum Nachtessen hat
Ruth Koteletten aus dem Kühler gezaubert. Dazu gibt’s Kartoffelstock
und Gemüse aus der Bilge.
Sonntag, 30. November – 8. Tag
auf See Nach drei Tagen wenig und gestern sehr wenig Wind hat es
heute Nacht wieder etwas aufgefrischt. Mit gut 15 Kn Wind sausen wir
mit etwa 8.5 Kn übers Wasser. Das Rollen des Schiffes ist wieder
heftiger geworden. In meiner Koje muss ich das Kojensegel wieder
montieren, auch das Stehen und das Laufen im Schiff muss gut
kontrolliert werden. Ebenso muss das Schiff immer aufgeräumt sein.
Vom DWD bekommen wir neue Meldungen. Entgegen gestrigem Entscheid
segeln wir nun West-Kurs. Mit Ostwind setzen wir die Segel auf
Vorwindkurs und machen mit ausgebaumter Genua und ausgefiertem Gros
Schmetterling. Natürlich wird das Gros mit Bullenstander nach vorne
gebunden, damit wir beim Rollen des Schiffes keine Patenthalse
produzieren. Am Abend dann gibt der Wind und die Wellen immer mehr
ab. Wir entschliessen uns zu Motoren. Zum Nachtessen gibt es
Vogelgeschnetzeltes und Gschwellti.
Montag, 1. Dezember – 9. Tag
Um 02.00 Uhr löse ich Koni ab auf der Wache. Es ist etwas Wind
aufgekommen. Wir setzen die Genua und siehe da, es läuft. Mit 13 Kn
Wind machen wir 5 Kn Fahrt. Am Morgen haben wir eine Begleitung
neben uns. Mit dem Feldstecher sehen wir die US Flagge. Im Segel hat
es die Bezeichnung CR 480. Gemäss Programm ARC ist es die Amulett.
Sie ist der Klasse C zugeteilt. Wer wird wohl zuerst dort sein?
(Anmerkung des Schreibers: Sie erreichte Rang 37). Um 08.00 Uhr
setzen wir wieder den Spi. Wir glauben an konstante Winde. Auch die
Angel wird gelegt. Nach dem Morgenessen gehe ich sie kontrollieren
und just in diesem Moment beisst einer an. Den einen rausgezogen und
filetiert beisst bereits wieder einer an. Es ist die vierte
Goldmakrele von fünf gefangenen Fischen. Filetiert und geputzt
landet sie im Kühler und wartet auf den Abend. Am Nachmittag heisst
es aufgepasst. Der Wind macht Kapriolen und das können wir mit dem
Spi nicht gebrauchen. Am Abend dann Aufregung: Ruth stellt im
Internet fest, dass wir wegen des schlechten Etmals (Tagesleistung
in Seemeilen) Plätze verloren haben. Wir sind auch verunsichert über
die Wetterdaten. Wir machen eine Kurskorrektur von 20 Grad mehr Süd
und warten die morgigen Wetterdaten vom DWD ab. Wie immer vor dem
Einnachten will ich meine Angel bergen. Ja was denn? Wieder einer
dran. Es ist wieder eine Goldmakrele. Leider ist sie mit 60 cm etwas
kurz, sodass wir sie ihrem Element wieder zurückgeben. Christine,
unsere Fischköchin, macht uns ein exzellentes Fischmenü: Salat, Reis
und Makrelenfilet an Sauce Atlantic. Benotung: Vorzüglich! Die
Frauen dann ab ins Bett. Koni hat noch mit der Technik zu tun,
Pascal macht mit mir den Abwasch und ich schiebe dann die
Mitternachts-Wache.
Dienstag, 2. Dezember – 10. Tag
Koni weckt mich, ich habe Wache. Es ist 08.00 Uhr und „äs
taget“. Es hat geregnet. Wir haben null Wind und auch nur eine
kleine Dünung. Das Wasser wie geölt. Wir Motoren im Standgas ca. 900
Touren, um möglichst Sprit zu sparen. So verbrauchen wir um die 2-3
Liter/Stunde. Das Tümpeln kommt mir vor wie auf dem Bodensee an
einem Regentag. Nun noch die Angel raus und dann lesen, Logbuch
führen und warten bis einer nach dem anderen aus der Koje kriecht.
Das Mail vom DWD verspricht nichts Gutes. Anhaltende Flaute, dann
zwei Tage etwas Wind und dann wieder Flaute. Es gibt auch keine
Ausweichmöglichkeiten, weil das Flachwindfeld so hoch ist. Wir
müssen also Quer durch. Der Tag vergeht wie angefangen: Wind bis 12
Kn und null bis fünf Kn Fahrt. Kein Fisch. Unter uns wieder einmal
um die 5000 m Wasser. Zum Nachtessen gibt’s Fleischchügeli, Nüdeli
und Erbs mit Rüebli.
Mittwoch, 3. Dezember – 11. Tag
Auf meiner Wache von 04.00 – 06.00 Uhr fällt der Wind zusammen.
Der Motor tut gute Dienste. Wir machen 4 Kn durchs Wasser und auf
dem GPS 5 Kn über Grund. Wir haben Strom: Der Nordäquatorial Strom
schiebt uns mit 1 Kn vorwärts. Auch die Bilge ruft Alarm: Wir haben
Wasser! Mit Schwamm und Pütz wird sauber gemacht. Den Grund haben
wir schon gefunden. Es ist eine Bride am WC, die nicht mehr gut
angezogen werden kann. Zwei Schiffe, die wir schon mehr als einen
Tag auf dem Radar beobachten, lassen wir leicht stehen: Wiedersehen
in St Lucia! Um 06.00 Uhr übergebe ich die Wache an Pascal. Das
schlechte Wetter der letzten Tage scheint vorbei zu sein. Im Laufe
des Morgens frischt der Wind auf und die Sonne lacht wieder. Auch
der Fischfänger kann raus gelassen werden. So geniessen wir den Tag
wieder „normal“ und segeln auf Steuerbordbug mit halbem Wind und 5-6
Kn westwärts.
Donnerstag, 4. Dezember – 12. Tag
Heute habe ich Mitternachts-Wache. Koni hat die Wache vor mir
und weckt mich schon um 11.30 Uhr. Der Wind hat aufgefrischt. Es
gibt 26 Kn Wind und wir sind immer noch mit der Leichtwind Genua
unterwegs. Wir sausen mit 10 Kn in die Wellentäler. Gemäss DWD soll
der Wind die nächsten Tage anhalten. Der Wind stellt sich auf 5 Bf
ein und wir machen vorerst keinen Segelwechsel. Auf der Karte sehe
ich, dass wir 5300 m unter uns haben. Ganz in der Nähe sogar ein
Loch mit 6400 m. Die tiefste Stelle finde ich ausserhalb Brasiliens
– das Romanche Gap mit 7730 m. Das Schiff läuft wunderbar. Auch die
Windsteuerung macht das ihrige. Um 10.00 Uhr frischt der Wind dann
wieder auf, ändert die Richtung und es fängt an zu regnen. Wir
müssen halsen (Richtungsänderung). Lösen das Problem aber mit der
nötigen Vorsicht und machen eine Q-Wende. Bis alles wieder richtig
steht und die Windfahnensteuerung eingerichtet ist, vergeht nahezu
eine Stunde und wir sind pudelnass. Natürlich waren wir auch
angegurtet – eine Selbstverständlichkeit bei 3 m Wellen und 6 Bf
Wind. Am Nachmittag stellen wir die Segelstellung dann wieder um auf
Schmetterling. Vorsichtshalber schifften wir am Abend wieder. Unser
Kurs stimmt nicht ganz, wir wollen 40 Grad südlicher fahren. Das
heisst: Genua einrollen, Spibaum wechseln, halsen und Genua wieder
raus. Das sollte dann für die Nacht gut sein. Inzwischen hat auch
veränderliches Wetter eingesetzt, es regnet immer wieder. Zum Essen
gibt es heute Pouletschenkel und Spaghetti. Die Teller stehen gut
auf rutschfester Unterlage, der Inhalt aber bewegt sich teilweise
sehr gefährlich bis an den Tellerrand. Auch das Trinken wird zum
Balanceakt. Die Gläser müssen wir in eine Plastikschüssel stellen,
damit nichts verschüttet wird. Das Rollen wird zur Qual: So können
wir nicht durch die Nacht, sie wird sicher unruhig werden. Nach dem
Nachtessen stellen wir wieder um: Genua einrollen, Baum rüber,
halsen, Genua nur ¼ raus und Besan bergen. Es wird besser, so gehen
wir durch die Nacht. Ich habe die erste Wache, die anderen gehen
schnell ins Bett. Es ist sehr unangenehm. Das Schiff rollt immer
noch zünftig und vibriert, wenn die Wellen unten durch gehen. Die
Windsteuerung mag auch nicht mehr. Ich muss umstellen auf den
Autopiloten. Wir haben um die 20 Kn beachtlichen Wind und 7-8 Kn
Speed. Der Wind legt zu und um Mitternacht entscheiden wir zum
reffen. Mit Schwimmwesten ausgerüstet und angegurtet gehen Pascal
und Koni zum Mast, Felix übernimmt das Steuer. Klar zum Reffen,
klar, anlufen, Gros reffen und wieder abfallen auf Kurs. Inzwischen
haben wir über 30 Kn Wind. Bis am Morgen machen wir Zweierwachen.
Morgens um 06.00 Uhr bin ich wieder dran. Es sieht wieder etwas
besser aus. Der Wind flaut etwas ab. Der Regen gibt nach und die
Regenwolken verziehen sich. Es erreicht uns die Faxnachricht vom
DWD: Es soll so bleiben die nächsten Tage. Wind 4-5 teilweise bis 6
Bf und eine Dünung aus NO mit 2-3 m. Das während wir Kurs West
haben! Na also: …Rolling Home!
Freitag, 5. Dezember – 13.Tag
Nichts Aussergewöhnliches. Nach den groben und rollenden Tagen
sind wir das Schlafen, Essen und Arbeiten unter schwierigen
Verhältnissen nun gewohnt. Das Schlafen geht nur noch im Kojensegel.
Das Essen und Trinken nur mit der nötigen Vorsicht. Dafür haben wir
das beste Etmal mit 163 Sm und unsere Verfolger wieder in die
Schranken gewiesen. Wir sind wieder auf Platz eins! Heute haben wir
auch unsere Bordzeit um zwei Stunden zurückgestellt. Wir haben immer
noch UTC Time (Universal Time Coordinated), also Greenwich Zeit. Das
ist eine Stunde (Sommer) mehr als in der Schweiz. Auf unserem Törn
durchqueren wir vier Zeitzonen. Wir merken die Zeitverschiebung,
weil es am Morgen immer länger dunkel ist und am Abend immer länger
hell bleibt. Am Ziel werden es dann nach UTC fünf und gegenüber
Schweizerzeit sechs Stunden Verschiebung sein. Einmal mussten wir
heute die Segel etwas verstellen. Bei solch grossen Wellen machen
wir das mit einer Q-Wende. Auch das Nachtessen fällt heute rollig
aus. Salat, Gemüse und Teigwaren füllen die hungrigen Mäuler. Und so
geht auch der heutige Tag rollend in mein Tagebuch ein.
Samstag, 6. Dezember – 14.Tag
Samichlaus Tag und Bruder Pius’ Geburtstag. Eigentlich 12.00 Uhr
Ortszeit. Aber wir haben gestern die Zeit umgestellt. Damit wir kein
Durcheinander bekommen mit den verschiedenen Zeiten belassen wir die
Schiffszeit und die Logbucheinträge bei UTC. Es ist jetzt also …
Uhr? Rechne! Auf meiner Wache sehe ich den Kompasskurs von 265 Grad,
auf dem GPS (Global Position System, das ist das Amerikanische
Satellitenleitsystem, auf das Europäische Galileo warten wir immer
noch) haben wir 255-280 Grad. Das bewirkt das Schwanken des Schiffes
wegen der beachtlichen Wellen. Das 35 Tonnen schwere Schiff wir
herumgeschoben wie ein „Zündholzschächteli“. Auf dem Plotter sehen
wir unseren Ist- zum Sollkurs, der uns nach St Lucia führt. Auf der
Seekarte wird dann zur Kontrolle alle Tage die Position noch
nachgetragen. Auf dem Radarbildschirm kann man alles sehen was
reflektiert. Das heisst, der Radar sendet Funkstrahlen aus und
sendet diese, wenn sie reflektieren, als Echo zurück. Darum ist es
lebenswichtig, einen Reflektor am Schiff oder ein gut
reflektierendes Schiff zu haben. Zurzeit sind zwei Objekte zu
beobachten. Das ewige Rollen ist ungemütlich, beim Schreiben sehr
unangenehm und das Geschriebene auch fast nicht leserlich. Der
Schreibblock rutscht mir unter dem Stift weg und ich muss mich mit
einer Hand immer festhalten. Und das nun schon den vierten Tag! Der
Tagesanbruch ist nach dem Umstellen der Uhr wieder etwas normaler.
Sonst bleibt’s auch heute beim gleichen Bild —rollen, rollen und
nochmals rollen. Da die Körperpflege auch zwingend eingeschränkt
ist, werde ich heute wieder einmal duschen. Fein, wie ich wieder
dufte; aber was für ein Balanceakt. Die Wetterprognosen sind neu
gekommen: Wir liegen gut, die Ostwinde (Passatwinde) halten sich.
Vom ARC hören wir, dass an anderen Orten Probleme herrschen. Von
Flaute bis konfuse Seen wird berichtet. Koni und Pascal warten die
Technik: Wassermacher, Grauwasser absaugen etc. Ich schiebe Wache
und die Frauen sind am „lismä“. Am Nachmittag kommt ein Wetter auf
uns zu. Es gibt Sturzflut, Nebel, Sonnenschein, Regenbogen, Böen und
Flaute. Wir haben wieder einmal Anglerglück: Der Zug ist mächtig, es
muss ein grosses Tier sein. Mit grosser Geduld ziehen wir das Tier
zum Schiff. Beim Anheben auf das Schiff zappelt er sich los. Der
starke Hacken hat sich aufgebogen. Wir gönnen es ihm. Er soll
weiterleben. Wir haben ja noch Fisch im Kühler! Bevor es dunkel wird
stellen wir die Segel wieder zur Nachtfahrt ein. Die Leichtwind
Genua, das volle Gros und der Besan. Der „Samichlaus“ kommt und
bringt allen ein Säckli. Danke für die gute Idee! Die Frauen zaubern
wieder ein Super-Menü auf den Tisch. Frischen Fisch von unserer
Angel und Kartoffeln an einer feinen Currysauce. Zum Dessert Kaffee,
Samichlaus Guetzli und Baslerläckerli. Alle dürfen ins Bett, ich
habe Wache bis Mitternacht. Das Wetter hat sich wieder etwas
beruhigt. Es hat auch wieder weniger Bewölkung und man kann einige
wenige Sterne sehen. Der Mond bringt die Gischt vom Bug zum Glänzen
und das Schiff gleitet wieder ruhiger durch das Wasser, sodass auch
wieder ruhiger geschlafen werden kann.
Sonntag, 7. Dezember – 15. Tag
Heute habe ich eine Frühwache von 06.00 – 08.00 Uhr Bordzeit.
Ich erlebe einen schönen Sonnenaufgang. Unser Schiff läuft schön
ruhig und mit Hilfe des Motors (900 U/min) durchs flache Wasser des
Atlantiks. Wir befinden uns auf ca. 15 Grad Nord und 46 Grad West.
Der Tag verläuft ruhig. Etwas Wäsche hängt herum und ein ca. 15 cm
langer fliegender Fisch verirrt sich in der Luke. Am frühen Mittag
bekommen wir Besuch von einem grossen Vogel. Ihm gefällt es auf
unserm Schiff und er lässt sich nieder. Wir geben ihm den Namen Ida
und verwöhnen ihn mit allerlei. Die Angelrute ist auch im Wasser.
Plötzlich – rrrrrrrr die Kupplung rutscht. Es hat sich wieder ein
Fisch verirrt und angebissen. Er wird an das Schiff herangezogen und
mit dem Feumer auf das Deck gehievt. Es ist wieder ein Dorado bzw.
eine Goldmakrele mit 1.2 m und ca. 3 kg. Das grösste Tier, das wir
je auf dem Deck haben. Mit einem Schluck Hochprozentigem wird er
betäubt und mit einem Genickschlag getötet. Beim Ausnehmen hat er
noch einen ca. 20 cm langen Fisch im Schlund. Die grossen Filets
werden verpackt und es ergeben sich jeweils zwei grosse Portionen
für je fünf Personen. Zum Nachtessen gibt es einen gemischten Salat,
Pouletgeschnetzeltes mit Müscheli an einer wunderbaren Sauce Bora
Bora. Auch diese Nacht fahren wir bei halbem Wind mit 5-6 Kn durch
das Wasser.
Montag, 8. Dezember – 16.Tag
Es ist 02.00 Uhr Bordzeit. Ich habe Wachablösung mit Koni. I-da,
unser Vogel, steht auf dem Deck und schläft stehend. Seit gestern
Abend hat sie dreimal den Platz gewechselt. Das Wasser ist etwas
aufgewühlt aber dennoch besser wie auch schon. Trotzdem ist das
leserliche Schreiben immer wieder schwer. Der Himmel am Horizont
leicht bewölkt. Über unserem rot, grün, weissen Toplicht prangt die
Milchstrasse, mit dem Orion als dem auffälligsten Sternbild: Alles
zum Greifen nah. Der Wagen im Nordosten mit dem Polarstern im Norden
steht noch weit unten. Er kommt in diesen Breiten erst gegen morgen
und steht auf dem Deichsel. Der Mond ist zunehmend, wird immer
grösser und stört mit seiner Helligkeit das Sternenbild. Der
Vollmond lässt grüssen, wir werden ihn noch erleben. In den letzten
Minuten ist er langsam verschwunden. Ich lege den Griffel weg, mache
Kontrollgang, grüsse Ida und gehe vor dem zu Bette gehen noch auf
Deck zum Sterne gucken.
Dienstag, 9. Dezember – 17. Tag
Heute muss Ida weg. Ich muss sie vertreiben, ich lasse sie nicht
mehr aufs Schiff. Wir haben es lustig mit dem Vogel. Es kommt sogar
soweit, dass er sich ins Schiff wagt, sich verirrt und einen Sch…
liegen lässt. Der „Gwunder“ hat mich gestochen und so fand ich
heraus, dass es ein Kuhreiher war. Diese Art kommt in Südeuropa,
Afrika und Amerika vor. Anscheinend kommt es vor, dass die Vögel
durch Winde von ihrer Flugroute abkommen und auf Schiffen, 3000 km
vom Land entfernt, Rast machen. Danke, Herr Burkhardt, von der
Vogelwarte! Morgen sind Bundesratswahlen und so haben wir auch auf
dem Schiff politischen Diskussionen. Die News fehlen mir natürlich
schon. Speziell an solchen Tagen habe ich Sehnsucht nach
entsprechenden Informationen. Zu Hause würde ich das alles genau
verfolgen. Es ist mir aber klar, Schiff oder Bundesratswahl. Per
Mail werden wir aber alles erfahren. Auf dem Radar sehen wir einen
grossen Reflektor auf uns zukommen. Wenn er so weiter fährt kommt er
knapp an uns vorbei. Und er ist schnell. Nach einer Weile sehen wir
ihn hinter uns, genau auf uns zukommen. Wir beraten, was zu machen
ist wenn… In einem gewissen Abstand dreht er ab und nimmt Kurs
Nordwest. Wir können sogar seinen Namen lesen: Astro Capricorn.
Leider ohne Flagge. Im Internet zu Hause werde ich fündig. Astro
Capricorn ist einer der grössten und neuesten Tanker der Welt und
läuft unter Griechischer Flagge. Inbetriebsetzung 1. Juni 2008. Die
technischen Daten: 333 m lang, 60 m breit, 30 m hoch, Ladekapazität
350'780 m3, Hersteller Daewoo. Bei flauen Winden um die 3 Bf setzen
wir den Spi. Wir laufen im ruhigen Wasser 6-7 Kn. Nachtessen machen
wir heute im Cockpit. Das letzte Fleisch aus dem Kühler. Dazu
Kartoffeln und wie immer ein gutes Glas Wein. Für die Nacht richten
wir uns wieder mit der ausgebaumten Genua und dem Gros aus.
Mittwoch, 10. Dezember – 18.Tag
Unsere Passatroute über den Atlantik nennt man nicht umsonst
Barfuss-Route oder Lady-Route. Tage wie heute sind nicht selten. Es
gibt wenig zu tun. Wir wollen den Spi setzen. Aber hoppla, wir
brauchen zwei Anläufe. Beim ersten Versuch „verhädert“ er sich in
der Genua. Alles von vorn und so klappts dann auch bis zum Abend.
Und da heisst es wieder einrichten für die Nacht. Christine
verwertet heute den letzten Fisch. Dolphin, gebratene Kartoffeln und
Reis. Dazu eine wunderbare Zwiebelweinsauce. Es hagelt grosse
Komplimente von der ganzen Crew. Ich komme auf die Wache. Von Koni,
meiner Vorwache, vernehme ich, dass der Wind wieder zusammengefallen
ist und der Motor helfen muss. Es gibt auch grossen achterlichen
Schwell. 3-4 m hohe Wellen sind keine Seltenheit. Es wäre nicht
auszuhalten, wenn das Schiff zu langsam läuft oder stehen würde. Das
Schiff rollt bis zu 30 Grad. Draussen im Cockpit mit fast vollem
Mond und Sternen zum Greifen nah – ein wunderbares Erlebnis! Die
Gischt vom Bug und gleichzeitig rauscht ein Brecher von hinten
heran. Von der Seite knallt eine kleine Windsee an die Schiffswand
und spritzt bis zum Steuerhaus hoch. Dann wieder eine
viertelstündige Böe mit 16 Kn, die Segel prall voll und das Schiff
wieder ab ins Wellental. Wir erreichen Spitzengeschwindigkeiten von
11-12 Kn. Im Steuerhaus klappert’s und klingelt’s, es giert und
quietscht. Ich bin am Schreiben und muss ansperren, sonst fliege ich
vom Sitz. Die Hieroglyphen werden wohl auch nicht zum Lesen sein. Es
kommen langsam Landgedanken auf. Es reicht mit Zuständen wie im
Leesegel schlafen, kochen wie auf einem Rollbrett, auf dem WC sitzen
und vornüber fliegen, auf den Knien duschen oder sonst durch das
Cockpit fliegen. Oder auf dem Deck angegurtet arbeiten, im Regen
pudelnass werden, oder am Steuer stehen. Was treibt uns, solche
Strapazen auf uns zu nehmen? Es gibt viele Antworten. Glücklich
sein, erleben dürfen, anderes vergessen, zusammen Verantwortung
tragen, Respekt vor der Natur haben, Diskussionen, abwägen,
entscheiden etc. Jedenfalls ein grosses Erlebnis, ja Schule fürs
Leben!
Donnerstag, 11. Dezember – 19.Tag
Heute wieder ein Tag wie jeder andere. Das Rollen hält weiterhin
an. Leinen aufschiessen, Fenster putzen, Cockpit und Deck waschen,
lesen und Wache schieben. Dazwischen mal schlafen oder sünnelä. Zum
Nachtessen gibt es heute Salat, Pouletschenkel und Spaghetti an
Tomatensauce. Ich habe die Sonnenuntergang-Wache. Eine/r nach dem
Anderen rauscht ab ins Bett und schon bald bin ich alleine im
Cockpit. Das tägliche Rollen ist anstrengend und macht müde. Zudem
muss mitten in der Nacht wieder aufgestanden werden. Auf dem Radar
sehe ich ein anderes Schiff, das die gleiche Richtung hält. Auf dem
Plotter (Bildschirm mit nautischen Angaben) sehe ich, dass wir noch
240 sm zurückzulegen haben. Wenn es so weiterläuft sind es noch 30
Stunden bis zum Ziel. Wir werden also am Samstagmorgen früh in der
Rodney Bay einlaufen.
Freitag, 12. Dezember – 20. Tag
Morgens um 04.00 Uhr meine nächste Wache. Draussen immer noch
Wellen, Gischt, schlagende Segel und wir im rollenden Schiff. Der
Himmel ist ziemlich klar und der Vollmond beleuchtet das Wasser mit
seiner ganzen Kraft und gibt ihm das glänzende Aussehen. Unsere
Schiffsnachbarn haben wir etwas abgehängt. Sie sind aber immer noch
zu sehen. Ich versuche, ihn über Funk zu erreichen. Neighbour
sailor, neighbour sailor, from Bora Bora … warten … wiederholen …
Leider keine Antwort. Auf der Seekarte sehe ich, dass wir wieder
über einen Graben von 5500 m fahren. Es ist das letzte Tal auf
unserer Reise. Jetzt geht es 6000 m aufwärts in die Alpen der
Unterwasserwelt der Karibik. Von den höchsten dieser Berge werden
wir die höchsten Spitzen sehen: Es sind dies Martinique und St
Lucia. Für die Crew wird es die letzte Morgenwache und der letzte
Sonnenaufgang auf dem Atlantik sein. Über den Tag machen wir noch
letzte Vorbereitungen für den Landfall. Wir freuen uns alle auf
festen Boden unter den Füssen und auf „Land in Sicht“.
Samstag, 13. Dezember – 21. Tag
Koni übergibt mir um Mitternacht die Wache. Wir erwarten
jederzeit erste Lichter von den Inseln. Auf dem Radar sehen wir das
Land und auch noch einen Frachter, der uns entgegenkommt. Es ist
eine Gewitterzelle in der Nähe. Der Wind und die Wellen machen was
sie wollen. Der Autopilot mag nicht mehr und das Schiff schlingert.
Prompt kommen wir vor den Wind und produzieren eine Patenthalse und
gleich noch eine retour und eine zweite. Zum Glück haben wir nicht
so viel Wind, dass etwas passiert wäre. So steuern wir dann die
letzen Stunden bis ans Ziel von Hand. Wir haben das Gefühl, Lichter
zu sehen und so ist es dann auch: Um 00.30 Uhr haben wir Land in
Sicht. Zuerst der Leuchtturm von Martiniques Südspitze, Cabrit
Island mit der Bezeichnung (FI(4)15s17M). Dann die Lichter auf der
Insel Martinique und etwas später die von St Lucia. Nacheinander
kommen die Crewleute aus ihren Kojen. Niemand will die Einfahrt zum
Ziel verpassen. Nach dem überqueren von 61 Grad West kommt der
Aeroblitz von Castries zum Vorschein. Wir machen Kurswechsel 180
Grad und fahren Richtung Ziellinie. Ruth macht die Funksprüche um
uns anzumelden. Genau um 03.57 Uhr überqueren wir die Ziellinie in
der Bucht von Admiral Rodney auf St Lucia. Nach korrigierter Zeit
(Handycap und Motorstunden) sind wir 20 Tage, drei Stunden und 7
Minuten unterwegs gewesen. Wir freuen uns und gratulieren uns
gegenseitig für die vollbrachte Leistung. Unser Resultat auf der
Rangliste kann sich sehen lassen: 18. Gesamtrang von allen 180
bewerteten Schiffen. In unserer Gruppe G erreichten wir den zweiter
Rang. In der Bucht ist es still und ruhig, die meisten sind beim
Schlafen. Nur die Leute auf dem Zielschiff halten Wache und der
Fotograf saust um uns herum und schiesst Bilder von der ankommenden
Yacht. Wir bergen die Segel und fahren in den Hafen. Dort werden wir
schon von zwei Hafenleuten erwartet, die uns an den Platz F7 leiten.
Kaum festgemacht, kommt das Begrüssungskomitee mit dem obligaten
Karibischen Früchtekorb. Sie beglückwünschen uns und überreichen uns
ein Zertifikat. Nach dem Belegen genehmigen wir uns in den frühen
Morgenstunden noch den spendierten Begrüssungsdrink und lassen dies
und das nochmals Revue passieren. So sinken wir alle morgens um
sechs in unsere Kojen und schlafen ohne schaukeln und rollen in den
Karibischen Tag.
Nach dem „klar Schiff machen“
geniessen wir nun noch eine Woche nichts Tun und Karibische Wärme.
Täglich gibt es Veranstaltungen der Regatta. So auch die
Rangverkündigung: Ein grossartiges Erlebnis, bei dem wir auf der
Bühne stehen durften!
Herzlichen Dank an alle. Wir waren eine super Crew.
Die Erinnerungen werden bleiben
Felix Höhener
Link zur
Official Website ARC: www.worldcruising.com/arc