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Meilentörn Mallorca (April 2009)

Meilentörn Palma de Mallorca – Ibiza,
4. April bis 11. April 2009

Palma de Mallorca, viel Sonne, laue Abende und gemütliches Beisammensein im Cockpit bis tief in die Nacht, gleichzeitig auch möglichst viele Segel-Meilen im Logbuch. – Das sind grob zusammengefasst die Erwartungen der Crew auf der Stella Maris VI, einer Bavaria Cruiser 50.

Gebucht ist eine Bavaria 46. Doch aufgrund von Sturmschäden (gibt es auf Mallorca Stürme…???) muss kurzfristig ein anderer Vercharterer eine Ersatzyacht zur Verfügung stellen. Auf den ersten Blick erscheint sie angenehm gross, auf den zweiten Blick sieht man ihr die jahrelange Vercharterung deutlich an.

Nachdem die richtige Anzahl Kaffeetassen und andere unentbehrliche Ausrüstungsgegenstände endlich an Bord sind, entschliessen wir uns planmässig am Sonntag auszulaufen. Bei Sonnenschein laufen wir um 12 Uhr aus. Nach ersten Übungsmanövern im sicheren (da sehr viel Platz vorhanden) Fährehafen verlassen wir den Hafen von Palma und segeln bei angenehmen Windverhältnissen Port d‘Andraitx entgegen Auf einmal entdecken wir im Wasser schimmernde Flossen – Delfine! Eine kleine Gruppe schwimmt ganz friedlich ca. 50 Meter an uns vorbei.

Nach knappen vier Stunden unter Segel heisst es Motor anlassen. Der Wind fällt zusammen und nur unter Segel erreichen wir zu wenig Knoten, um Puerto Andraitx noch vor dem Ein-dunkeln zu erreichen. Dank der tatkräftigen Unterstützung unseres zuverlässigen und genügsamen Helfers Penta (Volvo Penta) fahren wir doch rechtzeitig im heutigen Zielhafen vor eindunkeln ein.

Da es sich bei diesem Törn um einen Meilen- und Ausbildungstörn handelt, nehmen wir jede Gelegenheit wahr, um immer wieder Neues zu lernen. So zum Beispiel auch beim Anlegen: Seit diesem Abend weiss jeder was zu tun ist, wenn die Mooringleine sich eng um die Schiffsschraube geschlungen hat und das Boot festhält…! Nach einem gemütlichen, lokalen Abendessen verschwinden wir alsbald in unseren Kojen. Dabei gehen die Vorbereitungen für den nächsten Tag vergessen. Denn es steht etwas Besonderes an: Für einige Crewmitglieder der erste Nachttörn. D.h. geplante Abfahrt um zwei Uhr morgens, um unser Ziel Ibiza am Vormittag zu erreichen.

Schon eine halbe Stunde nach dem rechtzeitigen Auslaufen (Skipper Felix und Klaus haben sich als freiwillige Ablege-Mannschaft gemeldet) deuten die deutlich wahrnehmbaren Schiffsbewegungen darauf hin, dass die aktuelle Wettersituation von der Wettervorhersage doch diametral abweicht. Vorausgesagt war Windstärke von maximal
1 bft, Wellen 0. Effektiv unter Deck wahrgenommene Wellenhöhe 4, Windstärke 5 bft. Na toll! Statt einem gemütlichen Brummen unseres Freundes Penta kämpfen wir nun statt dessen im Halbschlaf gegen das Hin- und Hergeworfen werden einerseits und das Wachwerden andererseits. Nicht lange und es sitzen alle im Cockpit. Mehr oder weniger verschlafen starren wir in die Dunkelheit. Ab und zu erhellt ein Blitz in der Ferne den Horizont und der Vollmond, der uns noch bis vor Kurzem den Weg wies, verschwindet hinter dicken Gewitterwolken. So fahren wir mit halbem Wind von Backbord in völliger Dunkelheit vermeintlich Richtung Ibiza. Bis zur ersten Positionsbestimmung…!

Durch den harten Ritt über die Wellen macht sich langsam der frühmorgentliche Hunger bemerkbar und die Lust auf ein währschaftes Frühstück steigt im Quadrat zu den verstrichenen Augenblicken. Wir richten unsere hungrigen Blicke auf Christian und Coni, die uns ihr Können im Brotbacken präsentieren wollten. Seelenruhig vermeldet Coni mit einem verschmitzen Lächeln, dass sie in diesem Fall nun den Teig zubereiten wird. Inzwischen verschwindet Christian in der Koje oder auf der Toilette und pendelt die nächsten Stunden zwischen diesen beiden schneller, als wir es überhaupt wahrnehmen können, hin und her.

Zwischenzeitlich ist der Teig aufgegangen und befindet sich im Ofen, wobei dieser nicht einfach anzuzünden und noch schwieriger einzustellen war. So mischt sich zum penetranten Gasgeruch bald auch der infernale Gestank verbrannten Mehls. Alle, die sich unter Deck verkrochen haben und mittels Meditation, mentaler Stärke oder anderen mehr oder minder nützlichen Mittelchen gegen die Seekrankheit angekämpft haben, sitzen nun bleich und nicht ansprechbar im Cockpit. Doch das feine und noch warme Brot entschädigt uns auch für diese erlittenen Qualen.

Mittlerweile hat unser GPS die nötigen Satelliten gefunden, anhand derer er uns unbestechlich genau die aktuelle Position anzeigt. Diese liegt aber von unserer gewünschten Position meilenweit entfernt. Hat der Navigator bei der Kursberechnung die Windabtrift berücksichtigt? Oder hat er den Kurs unter Motor geplant? Oder war es der Steuermann, der nach Kompass fahren sollte? Auf jeden Fall befinden wir uns irgendwo zwischen Spanien, Ibiza und Mallorca, Steuerkurs genau zwischen Ibiza und Spanien. Tja, an der Navigation und am korrekten Steuern, werden wir wohl noch etwas feilen müssen…

Endlich können wir aber anluven und die Wellen, die seitlich einigermassen noch erträglich waren, in einem viel spitzeren Winkel anfahren. Auch die Krängung wird nicht kleiner, wenn man hart am Wind bei Windstärke 5-6 bft segelt.

Zum Anluven muss zuerst einmal die Bullentalje gelöst werden. Wir befolgen die strickte Order von Skipper Felix und keiner verlässt das schützende Cockpit. Deshalb wecken wir ihn auf, damit er schlaftrunken und nur mit Unterhosen und Socken bekleidet diese für uns (selbstverständlich alle im Ölzeug, rutschsicheren Schuhen an den Füssen und seit mehreren Stunden hellwach) lösen kann.

Nach einer gefühlten Ewigkeit sehen wir endlich den ersten Leuchtturm der nördlichen Insel-spitze von Ibiza. Erleichterung und auch ein Gefühl von „Nun kann nichts mehr passieren“ macht sich unter der Crew breit. Tatsächlich nimmt im Lee der Insel auch die Windstärke und der Wellengang ab und die Morgendämmerung lässt die Insel in einem bezaubernden Gold-Schimmer erscheinen.

Inzwischen können wir uns von Coni‘s wahren Backkünsten überzeugen und stürzen uns auf das frisch duftende, noch warme Brot. Wenig später, satt und zufrieden, segeln wir bei schönstem Segelwetter (Sonnenschein und Windstärke kontinuierlich von 5 bft auf
2 bft abnehmend) von Westen her kommend fast um die ganze Insel bis nach Ibiza Stadt. Nach den heutigen 100 Seemeilen haben wir fürs erste genug und machen im Stadthafen fest. Zwei von uns verabschieden sich und suchen sich in der Stadt ein nicht schauckelndes Zimmer. In leiser Vorahnung, was noch kommen könnte, lassen sie sich später mit der Fähre nach Palma chauffieren. Gemütlich lassen wir den Abend bei einem feinen Risotto und einem Schluck mallorquinischem Rotwein ausklingen und ziehen uns dann auch bald nach einer warmen Dusche in die Kojen zurück.

Nach der unspektakulären, aber feuchten Umrundung von Formentera am nächsten Tag, planen wir die Übersetzung zurück nach Mallorca. Pünktlich um 7 Uhr sind die Leinen los und wir fahren in Erwartung (gemäss dem spanischen Wetterdienst) einer Flaute und eines monotonen Motorentages aus dem Hafen. Unser Tagesziel ist Cabrera, eine kleine Insel, etwa sieben Seemeilen südöstlich vor Mallorca. Ein Naturreservat von einzigartiger Schönheit, im Sommer fast unmöglich zu besuchen, da die Besucherströme stark reguliert und limitiert sind. Doch ausserhalb der Hochsaison ein sehr lohnendes Ziel.

Bereits bei der Ausfahrt aus dem Hafen von Ibiza wiederholte sich eigentlich das Schauspiel vom Vortag dramatisch ähnlich: Gut vorbereitet mit Meteo abgeklärt, Zwischenverpflegung hergerichtet, warmes Wasser bereit gestellt, beginnt die Überfahrt. Auslaufen unter Motor. Segel setzen etc… Wir haben es lustig, fröhlich, sind gut angezogen. Sogar der Südwester und die Stiefel fehlen nicht. Wir machen Modeschau, denn es ist ja bedeckt. Doch plötzlich die Feststellung: Der Wind legt zünftig zu. Auf dem Wasser gibt es schäumende Kronen und das Wasser fliegt! Eine Böe, ja aber eine zünftige! Wir erkennen die Situation, legen die Lifebelts an und reffen sofort auf das Maximum. In der Annahme bald wieder ausreffen zu können, werden wir eines besseren belehrt. Statt spiegelglatter, öliger See stehen wir plötzlich in einem Sturm. Dieser steigert sich kontinuierlich bis zu dem unglaublichen Maximum von 10 Beaufort, sprich über 50 Knoten. Auf der Anzeige ist das Maximum, 55 Knoten, ersichtlich. Entsprechend ist auch der Seegang bei Stufe 7, also ungefähr 5 Meter hohe, über dem Schiff brechende Wellenberge. Unsere 50 Fuss Yacht tanzt wie eine kleine Nussschale auf den Wellen. Ganz dramatisch werden wir auf die Seite gelegt. Plötzlich wieder ein Brecher, und wir sitzen im Wasser. Der Bug des Schiffes ist teilweise im Wasser verdeckt. In den schützenden Schiffsbauch ist nicht mehr zu kommen. Wir bleiben am Wind und versuchen mit zwei Steuermännern die Wellen auszusteuern. Langer Rede kurzer Sinn: Skipper Felix hat es nach den hart durchgekämpften erschöpfenden sechs Stunden bei Starksturm-Bedingungen auf den Punkt gebracht: „So etwas habe ich in meiner ganzen Segelkarriere [ca. 20‘000 sm] noch nie erlebt!“

Glücklicherweise hat er dies erst gesagt, nachdem sich das Wetter wieder beruhigt hat und blaue Himmelfenster uns mit vereinzelten Sonnenstrahlen verwöhnen. Eine einzigartig besondere Erfahrung, die man eigentlich nur einmal erleben möchte!! Durchgeschüttelt, vom Regen durchnässt, aber nicht ausgehungert (ja, wir haben aus den ersten Erfahrungen gelernt und vor dem Ablegen Sandwiches vorbereitet). Unter diesen Umständen verzichten wir grosszügig auf Cabrera und steuern direkt den Hafen Palmas mit den modernen Duschen an. Ohne viele Worte verschwinden wir bald darauf in unseren Kojen.

Tags darauf scheint die Sonne und auch die Windstärke von 5 bft ist optimal zum Segeln. Die Bucht von Palma ladet ein für ein ausgiebiges Manövertraining. Die zwei Aussteiger stossen auch wieder zu uns. Was sie wohl verpasst haben? Zur Mittagspause ankern wir in einer der zahllosen, türkisblauen Buchten im Süden von Mallorca, bis die Sonne hinter Wolken verschwindet und wir wieder Richtung Hafen Palma aufbrechen.

Am Freitag, unserem letzten gemeinsamen Segeltag, üben wir wieder bei idealem Segelwetter und strahlendem Sonnenschein einige Manöver, darunter „Fender um den Kiel, äh Fender über Bord“. Nach einer letzten Hafenrunde und Bestaunen der grossen und riesigen Motoryachten und einigen Super-Segelyachten legen wir zum letzten Mal diese Woche am Steg von Viva Charter an. Wir packen schweigend unsere sieben Sachen, mittlerweile schon etwas wehmütig, da wir für längere Zeit wieder Abschied nehmen müssen vom Segeln und dem Meer, ..oder tun so als ob. Am Samstagmorgen bleibt uns auch noch genug Zeit, fertig zu packen und das Schiff zu verlassen.

Herzlichen Dank an Jakub für das Verfassen des Berichts. Wir waren ein speziell gutes Team und haben aus den einmaligen Erlebnissen lehrreiche Erfahrungen gemacht. Wir hoffen, dass diese Wettererlebnisse einmalig bleiben! Denkt daran, die Natur zeigt uns schon, wo es lang geht!!

Euer Skipper

 

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